Ist die Nutzung von (digitalen) Medien „bloß“ Hilfsmittel im Unterricht? Über diese Frage wird unter Didaktikern heiß gestritten. Die zunächst einmal triviale Auskunft lautet: natürlich sind Medien – egal welcher Art – Mittel zur Erreichung vorgegebener Lernziele. Niemand würde behaupten wollen, ihr Einsatz wäre Selbstzweck und durch das durch sie vermittelte gleichgültig.
Doch gegen die Vorstellung als einfaches Mittel zum Zweck erhebt Axel Krommer folgenden Einwand:
Gesetzt den Fall, man plane statt einer Unterrichtsstunde eine Reise. Auch hier hat es den Anschein, als könne man zunächst das Ziel festlegen und müsse erst in einem zweiten Schritt darüber nachdenken, mit welchem Transportmittel sich dieses Ziel am bequemsten und schnellsten erreichen lässt. Doch dieses vermeintliche Primat des Reiseziels gegenüber dem Transportmittel ist das Resultat einer stark eingeengten Perspektive. Denn welche Ziele realistischerweise in den Blick genommen werden, hängt in entscheidendem Maße von den verfügbaren Transportmitteln ab.
(https://axelkrommer.com/2018/09/05/wider-den-mehrwert-oder-argumente-gegen-einen-ueberfluessigen-begriff/)
Natürlich limitieren die vorhandenen Mittel in vielen Fällen das Ziel, das erreicht werden soll. Allerdings liegt in der Schule m.E. doch ein etwas anderer Fall vor als bei der Urlaubsplanung. Denn während einem beim Reisen die Welt zur (potentiellen) Verfügung steht, relativieren sich Wissen, Kompetenzen und was auch immer gelehrt und gelernt werden soll, nicht an vorhandenen Medien. Es würde niemand umgekehrt auf die Idee kommen etwas Bestimmtes nicht zu unterrichten, weil die dafür nötigen Medien nicht vorhanden sind. Sicherlich gibt es Themen im Unterricht, deren mediale Aufbereitung schwieriger ist – verunmöglicht wird dadurch allerdings nichts.
Das macht allerdings die Umkehrung – zuerst das Ziel, dann der Weg – noch lange nicht richtig. Denn:
Die Ziele, die sich in einem ausschließlich auf Buch und Schrift basierenden Unterricht realistischerweise erreichen lassen, unterscheiden sich signifikant von den Zielen, die man mit Buch, Schrift, Tablet und Internetzugang ansteuern kann.
(https://axelkrommer.com/2018/04/16/warum-der-grundsatz-paedagogik-vor-technik-bestenfalls-trivial-ist/)
Wie auch bei der bereits erwähnten Urlaubsvorbereitung, in der Weg bzw. Transportmittel schon Teil der Planung sein müssen und nicht erst nach der „eigentlichen“ Reiseplanung festgelegt werden, so fällt auch in der Unterrichtsplanung das zu Erlernende mit dem „Weg dorthin“ zusammen. Dadurch wird meines Erachtens aber nicht das gesamte Zweck-Mittel-Verhältnis von Medien und ihrer Nutzung über den Haufen geworfen:
Zum Einen erfordert die „Revolution“ der Medien eine eigenständige Würdigung im Unterricht, die dessen Nutzung, Chancen, Gefahren, etc. zum Gegenstand hat und dabei das Medium nicht als (Hilfs-)Mittel zum Erlernen von etwas anderem sieht, sondern selbst zum Gegenstand macht. Vor allem –aber nicht nur – das Internet bieten Chancen und Gefahren bei seiner Nutzung, die so vielfältig sind, dass dieses Medium durchaus auch einmal „Selbstzweck“ im Unterricht sein darf. Schülerinnen und Schüler müssen einen verantwortlichen Umgang mit den neuen Medien erlernen, für die es durchaus der Anleitung eines Lehrers bedarf.
Andererseits bleibt aber die Nutzung z.B. des Internets weiterhin Hilfsmittel – also Medium – für Lernziele, die getrennt vom Medium feststehen können und es auch tun. Medium und Ziel hängen nicht notwendigerweise zusammen: Manches lässt sich über verschiedene Medien erreichen, anderes eben nicht. Bestimmte Themen lassen „ältere“ Medien attraktiver erscheinen, andere neue, wieder andere machen eine Kombination von beiden möglich, usw.
Mir scheint, diese Debatte abstrakt zu entscheiden, ist schwierig. Vielleicht macht die Entscheidung am konkreten Thema des Unterrichts mehr Sinn und ermöglicht eine nüchternere Betrachtung.
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