Gamification was ist das eigentlich? Unter diesem Begriff, der im erziehungswissenschaftlichen Kontext in den letzten Jahren immer mehr Erwähnung findet, versteckt sich vor allem der Einsatz von Elementen, die sonst nur aus (Video-)Spielumgebungen bekannt sind, im Schulunterricht. Gemeint ist nicht der Einbau eines kurzen Spiels in den Regelunterricht, sondern die Umgestaltung des gesamten Unterrichts zu einem Spiel.
Der Begriff ist ebenfalls von sog. Serious Games, die einzig das Ziel Bildung oder Wissen zu vermitteln verfolgen und traditionellen bzw. analogen Formen des Spielens in kontrollierten Lernumgebungen, wie sie beispielsweise aus der Vorschule bekannt sind abzugrenzen, da sich der Ansatz der Gamification klar am Design von unterhaltsamen Videospielen orientiert.
Um ihre User am Spielen zu halten hat sich die Videospielbranche in den letzten 30 Jahren des ein oder anderen Trick aus dem Nähkästchen der Verhaltenspsychologie bedient und das mit großem Erfolg. Einer Umfrage des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom e. V. zufolge sind rund 42 Prozent der deutschen Bevölkerung auf ihren stationären oder mobilen Endgeräten spielerisch unterwegs und die Anzahl der Spielenden wächst ständig:
Laut einer anderen Umfrage aus dem Jahr 2020 der DAK zur Mediennutzung verbrachten in diesem Jahr Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren, die mindesteins einmal die Woche spielen, rund 75% mehr Zeit mit Videospielen als noch im Vorjahr.
Die Mittel, mit denen die Videospielindustrie arbeitet reichen von Konditionierungen nach dem Vorbild der Skinner-Box in Form von Belohnungssystemen, über sog. Collectives, die an den menschlichen Sammeltrieb appellieren, bis hin zu Motivation durch Spaß am Spiel oder Wettkampf und Vergleich, z.B. durch sog. Achievments, mit anderen Spielern.
Die Frage die sich nun stellt ist, welche Vor- und Nachteile sich durch die Gamification von Unterricht ergeben.
Pros
1.Motivation und Aktivierung
Durch die Verbindung von Spaß am Spielen und Lernen kann eine insgesamt bessere Lernerfahrung gestaltet werden. Eine gute Umsetzung von Gamification sorgt für von den Schüler*innen ausgehendes Engagement und aktive Teilnahme am Unterrichtsgeschehen.
2.Feedback
Lerher*innen und Lehrer haben stets Einsicht in den Lernprozess der Schüler*innen und können auf Basis der Werte und Ergebnisse sofort persönliches Feedback geben. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit standadisiertes, automatisches Feedback festzulegen, dass die Schüler*innen je nach Ergebnis vom Programm erhalten.
Für die Schüler*innen bietet diese hohe Frequenz an Feedback ständig Möglichkeiten den eigenen Wissensstand zu überprüfen und so langfristig ihre Leistungen zu verbessern.
3.Personalisierte Lernerfahrung und Beurteilung
Durch die personalisierten Lernumgebungen haben die Lernenden die Möglichkeit im eigenen Tempo mit dem Material ihrer Wahl und dem, das ihrem Stand entspricht zu arbeiten.
Beurteilungs- und Benotungssysteme können in diesem Umfeld auch personalisiert gestaltet und mit Belohnungssystemen kombiniert werden, um so wiederum Motivation zu fördern
Cons
1.Spielzwang
Gamificationmethoden sollten niemals verpflichtend für die Schüler*innen sein, da durch den Zwang viele positive Aspekte, allen voran die Motivation, die durch den Spaß und die Freiwilligkeit des Spielens entsteht negiert wird.
2. Aus Misserfolgen lernen
Ein essentielles Merkmal von Videospielen ist die Wiederholbarkeit von Versuchen im Fall eines Fehlschlags. Die Lernumgebungen sollten dementsprechend so gestaltet sein, dass Versuche belohnt werden. Die Schüler*innen sollen so ihren Fehlversuch als Möglichkeit zur Verbesserung begreifen, anstatt ihre Motivation zu verlieren. Die Aufgaben und Aktivitäten sollten demnach wiederholbar sein und einen steigenden Schwierigkeitsgrad aufweisen, da ein Spiel, das keine Herausforderung darstellt ebenfalls demotivierend – im Sinne von „langweilig“ – sein kann.
3.Content gestalten
Die Gestaltung von ansprechendem und anspruchsvollem Content erfordert neben pädagogischen und technischen Kompetenzen ebenfalls Wissen um die Wünsche und Bedürfnisse der Zielgruppe. Den meisten bisherigen Versuchen zur Gestaltung von Gamification Konzepten mangelte es bislang an mindestens einer dieser Vorraussetzungen, weswegen in diese in der Rezeption als eher ungenügend beurteilt wurden. Eine weitere große Hürde die Erstellung des Contents betreffend ist die Problematik den Inhalt so neutral und für verschiedene Ziel- und Altersgruppen zugänglich, bzw. apsrechend wie möglich zu gestalten, ohne dass dieser anschließend als langweilig oder trivial empfunden wird.
Fazit
Gamificationmethoden bieten zahlreiche Vorteile für den Schulunterricht, ihre Entwicklung und richtiger Anwendung stellen jedoch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Lehrkräfte sollten bei der Wahl eines geeigneten Gamificationprogramms stets dessen Design genau unter die Lupe nehmen, um abschätzen zu können, ob es sich um ein ganzheitliches Konzept oder lediglich um virtuelle Belohnungssysteme, als Spiel verpackt handelt.
Kathy Sierra, einer bekannten Bloggerin und Gamedeveloperin, zu Folge sollten Belohnungen „be left at the classroom door […]a well-designed game only deploys certain mechanics to support an intrinsically rewarding experience“.
Unter dem Strich geht es um viel mehr als um Punkte, Level und Abzeichen die als virtuelle Belohnungen Schüler*innen motivieren sollen. Unter dieser Oberfläche birgt Gamification großes Potential langfristige und nachhaltige Lernerfolge zu fördern, so wie die Einstellung gegenüber „Lernen“ und „Schule“ zu verändern.