Der Einsatz digitaler Medien im Unterricht ist an vielen Schulen bereits fest im Alltag verankert. Vor allem der Einsatz von Smartboards, Tablets, PCs und anderen digitalen Geräten ist hier sehr beliebt. Dies ist an einigen Stellen sicherlich sinnvoll, leider wird Digitalität in der Debatte um zeigemäße Bildung aber auch häufig als Allheilmittel für schlechten oder unzureichenden Unterricht gesehen.
In jüngster Vergangenheit wurden Lehrer*innen bei der Unterrichtsplanung und -durchführung durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vor neue Herausforderungen gestellt. Durch die kurzfristige Schließung von Schulen und das ungeplante Umdisponieren auf Homeschooling mussten ebenso kurzfristige Lösungen für diese neuen Rahmenbedingungen gefunden werden. Für das neue Schuljahr 2020/2021 wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus – auf Basis der Erfahrungen und Rückmeldungen aus dem Schuljahr 2019/2020 – ein Rahmenkonzept für Distanzunterricht entwickelt, welches sich auf sieben Punkte stützen soll. Dieses Konzept kann unter folgendem Link eingesehen werden: https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7047/faq-zum-unterrichtsbetrieb-an-bayerns-schulen.html
Besonders der zweite Punkt aus diesem Rahmenkonzept ist für den weiteren Verlauf dieses Beitrages wichtig. Demnach soll jeder Tag mit einem (virtuellen) „Startschuss“, wie zum Beispiel einer E-Mail oder einer Videokonferenz, beginnen. Um dies umzusetzen, gibt es mehrere Möglichkeiten, die mittlerweile einen festen Platz im Schulalltag haben. Hierzu zählen, neben der klassischen E-Mail, Tools wie Zoom, Microsoft Teams, Skype und viele andere. Ob diese Tools tatsächlich einen gewinnbringenden Beitrag zu zeitgemäßem Unterricht leisten oder nicht, sei dahingestellt und hängt aus meiner Sicht auch stark von der Art der Nutzung der Tools ab. Im Folgenden soll die Nutzung des virtuellen Klassenzimmers (https://klassenzimmer.meetzi.de/) im Hinblick auf dessen Beitrag zu zeitgemäßem Unterricht näher betrachtet werden und die Vor- und Nachteile des Tools diskutiert werden. Eine kurze Beschreibung des Tools in Form eines Videos ist auf YouTube zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=Hzo-BqIxbVQ&feature=youtu.be
Beim virtuellen Klassenzimmer haben Lehrer*innen die Möglichkeit, einen Raum zu erstellen, dem bis zu 30 Schüler*innen beitreten können. Teilnehmer*innen können hier zur Kommunikation den integrierten Videochat sowie einen Sprach- und Textchat nutzen. Die Grundfunktionen des Tools umfassen einen Editor, in dem alle Teilnehmer*innen gleichzeitig ein Textdokument bearbeiten können, sowie eine digitale Tafel, die ebenfalls von allen gleichzeitig beschrieben werden kann. Außerdem bietet das Tool die Möglichkeit Dateien untereinander auszutauschen, sodass beispielsweise Arbeitsblätter in digitaler Form an die Schüler*innen weitergegeben werden können. Darüber hinaus können Lehrer*innen verschiedene Lern-Apps von externen Webseiten in die Lernumgebung integrieren, den eigenen Bildschirm freigeben sowie Präsentationen über die integrierte Präsentationsfunktion halten.
Die Vorteile des virtuellen Klassenzimmers sind bereits bei der Erstellung des Raumes deutlich sichtbar. Einen Raum zu erstellen, ist wirklich einfach und weder Lehrende noch Lernende müssen persönliche Daten wie eine E-Mail-Adresse, Telefonnummer oder Ähnliches angeben oder sich für die Nutzung registrieren. Nach der Erstellung des Raumes wird automatisch ein Link mit einem zugehörigen Passwort generiert, worüber die Schüler*innen dem Raum beitreten können. Allgemein ist das Tool sehr einfach zu bedienen und benutzerfreundlich gestaltet. Ein weiterer positiver Punkt ist, dass alle Teilnehmer*innen grundsätzlich die gleichen Möglichkeiten haben, zur Gestaltung des virtuellen Klassenzimmers beizutragen. Sobald der Raum erstellt ist, können sowohl Lehrer*innen als auch Schüler*innen (für den Raum) öffentliche Textdokumente und die Tafel bearbeiten, Dateien hochladen, den eigenen Bildschirm freigeben und sich (wie im klassischen Unterricht auch) am Unterrichtsgespräch beteiligen. Um die Abläufe auch Online besser organisieren zu können, bietet das Tool außerdem eine Meldefunktion. Das virtuelle Klassenzimmer kann also grundsätzlich als ein eher offenes und interaktives Tool für alle Beteiligten bezeichnet werden.
Trotz der obengenannten positiven Punkte gibt es auch einige Aspekte des virtuellen Klassenzimmers, die eher kritisch bzw. als negativ zu betrachten sind. So ist der didaktische Spielraum im virtuellen Klassenzimmer aus meiner Sicht eher eingeschränkt, was beispielsweise in Bezug auf die integrierbaren Lern-Apps deutlich wird. Diese sind durch die Plattform selbst vorgegeben, sodass eventuell nicht die von der Lehrkraft favorisierte Lern-App eingebunden werden kann. Außerdem sehe ich beim virtuellen Klassenzimmer bezüglich der Organisation und der einsetzbaren Methoden Probleme. Einige Methoden und Arbeitsformen, die im regulären Klassenzimmer bereits eingeübt wurden und funktionieren, funktionieren im virtuellen Klassenzimmer eventuell aufgrund der eingeschränkten Funktionen des Tools nicht oder zumindest nicht so gut. Ich denke hier beispielsweise an Gruppen- und Partnerarbeiten, Stationenarbeiten oder andere Methoden bzw. Arbeitsformen, bei denen der Raum selbst eine wichtige Rolle einnimmt. Aus organisatorischer Sicht sehe ich problematisch, dass der Zugriff auf das digitale Klassenzimmer zwar von beinahe jedem internetfähigen Endgerät möglich ist, allerdings die Ausstattung der Schüler*innen mit entsprechenden Endgeräten auch eine Voraussetzung zur Nutzung ist. Nicht jede Familie hat einen Computer oder Laptop im Haus und einen ganzen Schultag nur vor dem Handy oder Tablet zu verbringen, ist zwar unter bestimmten Umständen besser als nichts, aus meiner Sicht aber keine besonders angenehme Art zu arbeiten.
Zusammenfassend kann man trotz der Nachteile sagen, dass es sich beim virtuellen Klassenzimmer eins zu eins um ein digitales Pendant zum klassischen Schulunterricht im Klassenzimmer handelt. Lehrer*innen und Schüler*innen haben in der Online-Variante zwar prinzipiell die gleichen Möglichkeiten wie in der analogen Alternative, trotzdem bin ich der Meinung, dass das Tool keinen tatsächlichen Mehrwert für zeitgemäße Bildung mit sich bringt. Wenn Unterricht in Präsenzform stattfinden kann, können Lehrer*innen andere digitale Tools einsetzen, um ihren Unterricht moderner und zeitgemäßer zu gestalten. So können beispielsweise zur gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten Tools wie GoogleDocs eingesetzt werden. Mit Hilfe eines solchen Tools können alle Schüler*innen und die Lehrkraft zeitgleich an einem Dokument arbeiten, Inhalte hinzufügen oder bestehende Inhalte modifizieren. Darüber hinaus können digitale Tafeln, wie sie in einigen Schulen bereits eingesetzt werden, auch für Schüler*innen über private oder schuleigene Endgeräte nutzbar gemacht werden, sodass auch ein Tafelbild oder ähnliches gemeinsam erstellt werden kann. Über solche Tafeln können dann auch Audio- und Video- bzw. Filmsequenzen in den Unterricht integriert werden, was sicherlich besonders im Deutsch- und Sprachunterricht sinnvoll ist, aber auch in anderen Fächern zur Illustration bestimmter Aspekte eingesetzt werden kann. Die Welt der digitalen Tools für das Lehren und Lernen ist sehr bunt, weshalb hier nur ein kleiner Einblick in diese verschiedenen Möglichkeiten geboten werden kann. Obwohl ich der Meinung bin, dass das virtuelle Klassenzimmer unter „normalen“ Umständen nicht als Ersatz oder Ergänzung zum analogen Unterricht in der Schule eingesetzt werden sollte, kann es in Zeiten von Corona sicherlich trotzdem von Nutzen sein, um Distanzunterricht sinnvoller zu gestalten. Mit Hilfe dieses Tools könnten Lehrer*innen eine tatsächliche Unterrichtsumgebung mit einer festen Struktur und Betreuung für die Schüler*innen schaffen und vermeiden, dass die Schüler*innen bei der Bearbeitung der Aufgaben komplett auf sich allein gestellt sind, zumal die meisten Erziehungsberechtigten aufgrund ihrer eigenen Berufstätigkeit den Distanzunterricht auch nur eingeschränkt unterstützen können. Abgesehen vom digitalen Klassenzimmer von meetzi gibt es noch zahlreiche weitere Möglichkeiten ein Klassenzimmer von der Schule in eine digitale Arbeitsumgebung zu verlegen. Am besten schaut man sich vor der abschließenden Unterrichtsplanung einige Varianten an und entscheidet dann, welches spezifische Tool für den eigenen Unterricht am besten geeignet ist.
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